Die Angst vor dem Markt

02.09.2020

Viele Privatanleger fürchten die Kursschwankungen bei Aktien. Doch für alle, die langfristig Vermögen aufbauen wollen, bietet das Auf und Ab der Märkte Chancen.

Auch wenn das Jahr 2020 noch nicht vorbei ist, eines ist jetzt schon klar: Die Anleger, zumindest wenn sie in den breiten Markt investierten, brauchten gute Nerven. So ist etwa der US-Aktienindex S&P 500 im ersten Quartal des Jahres in der Spitze um knapp 30 Prozent eingebrochen. Wer damals verkaufte, dürfte sich nun ärgern. Denn der Index hat die Kursverluste in Rekordzeit wieder aufgeholt. Diese hohen Kursschwankungen dürften die Skepsis vieler Privatanleger gegenüber Aktien bestärkt haben. Gelten doch die Schwankungen der Aktienkurse, auch Volatilität genannt, als häufigster Grund, warum Anleger der Börse fernbleiben. Laut einer Umfrage des Flossbach von Storch Research Institute in Köln sehen Privatanleger in schwankenden Kursen offenbar eines der größten Risiken für ihre Geldanlage.

Nicht nur die Sparer, auch viele Geldanlageprofis richten ihre Anlagestrategie nach diesen Schwankungen aus. Volatilität ist Bestandteil der modernen Portfoliotheorie und in den vergangenen Jahren zu einer wichtigen Risikokennzahl geworden. Doch Volatilität, mit der Profis die Kursschwankungen von Aktien oder Aktienmärkten messen, hat als alleiniges Risikomaß einige entscheidende Nachteile. Das zeigt sich auch in der Corona-Krise.

Volatilität verführt zu prozyklischem Investieren

So ist die Volatilität immer dann besonders hoch, wenn die Kurse bereits gefallen sind. Vor einem Kurseinbruch, also dann, wenn Aktien noch hoch bewertet sind und in der Krise an Wert verlieren, sind die Schwankungen häufig noch sehr niedrig. Dieses Phänomen zeigt sich etwa bei der Betrachtung des CBOE Volatility Index (VIX), der die vom Markt erwartete Schwankungsintensität (30-Tage-Volatilität) der Kurse der im US-Aktienindex S&P 500 gelisteten Aktien misst. Die Berechnung des VIX basiert auf den Preisen von Termingeschäften auf den S&P-500-Index. Ein hoher Wert weist dabei auf einen unruhigen Markt hin, niedrige Werte lassen eine Entwicklung ohne starke Kursschwankungen erwarten.

Kurz vor der Corona-Krise, am 20. Februar, stand der VIX bei einem Tief von 16 Punkten, erreichte am 17. März mit 83 Punkten ein Hoch und ist inzwischen auf etwa 23 Punkte gefallen (Stand: 20. August). Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass die Entwicklung auch in der Finanzkrise 2008/2009 ähnlich verlief. In beiden Fällen erreichte die Volatilität Höchststände, als die Kurse sich nahe ihrer Tiefstände bewegten.

Wenn Anleger die Entwicklung der Volatilität als Messlatte für das Risiko einer Anlage verwenden, ziehen sie oft folgende Schlussfolgerungen: Wenn die Kurse nach einem Kursrutsch unten sind, ist es besser, die Anlage zu verkaufen, weil die gestiegene Volatilität anzeigt, dass die Anlage riskanter geworden ist. Nach der Erholung lohnt sich nach dieser Logik hingegen der Einstieg, weil die dann wieder gesunkene Volatilität ein niedrigeres Risiko signalisiert. Doch hier ist Vorsicht geboten, denn unseres Erachtens ist diese Herangehensweise ökonomisch wenig sinnvoll: Warum sollte der Kauf einer Aktie zu einem Preis von beispielsweise 50 Euro riskanter sein als zu einem Preis von beispielsweise 100 Euro, wenn sich an dem Unternehmen in diesem Zeitraum nichts Grundlegendes verändert hat?

Verlustrisiko wichtiger als Kursschwankung

Unserer Ansicht nach geht es bei der Geldanlage immer darum, Chancen und Risiken mit der Umsicht eines vorsichtigen Kaufmanns abzuwägen. Wir halten eine Anlage dann für riskant, wenn sie zu einem absoluten Verlust führen kann oder wenn sie dauerhaft das Anlageziel zu verfehlen droht. Doch zur Beurteilung dieses (wahren) Risikos eignet sich die Volatilität oft nicht.

So würde ein Kontoguthaben oberhalb der gesetzlichen Einlagensicherung von 100.000 Euro bei einer kriselnden Bank mit schlechtem Bonitätsrating nach dem Maßstab der Volatilität als risikofrei gelten, denn der Wert des Guthabens schwankt ja nicht. Auch mit einer Bundesanleihe mit negativ verzinstem Kupon, die bis zum Laufzeitende gehalten werden soll, können Anleger ihr Anlageziel, den realen Erhalt des Vermögens nach Inflation, nicht erreichen. In der Portfoliotheorie, an der sich viele Profi-Anleger orientieren, gilt das Investment aber dennoch als sicher. Eben weil der Verlust "sicher", also zum Ende der Laufzeit ohne Schwankungen erfolgt.

Volatilität kann langfristigen Anlegern Chancen bieten

Bei der Risikobewertung der Volatilität spielt der Anlagehorizont eine entscheidende Rolle: Grundsätzlich gilt sie als Feind des kurzfristigen, aber als Freund des langfristigen Investors. Wer einige Jahre Zeit hat, dem können temporäre Kursschwankungen Chancen für einen günstigen Einstieg ermöglichen - oder eben für einen guten Verkaufspreis. Anders gesagt, kann, wer sein Vermögen langfristig investiert, die Volatilität ausblenden, weil sie oft das tatsächliche Risiko kurzfristig überzeichnet.

Was bleibt ist das Wissen um die eigene Psychologie, Geduld - und das Wissen um die Qualität der Anlagen. Anleger reagieren in der Regel weniger nervös, wenn in einer Krise Aktien von Unternehmen mit einer vernünftigen Gewinnperspektive, einer soliden Bilanz und einem fähigen Management im Portfolio liegen, die oft unbeschadet durch Krisenzeiten kommen. Zudem sollte der Aktienanteil im Portfolio sorgfältig bemessen und Anlagen angemessen auf verschiedene Anlageklassen und Marktsegmente aufgeteilt werden, um Risiken zu streuen. Dann können Anleger auch in schwierigen Zeiten in Ruhe abwarten, bis sich die fundamentale Qualität der Anlagen wieder in steigenden Kursen niederschlägt.

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Binder Manfred, MLS

allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger

Quelle: Flossbach von Storch

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