Gut zu Wissen - Konjunktur und Börse

08.11.2020

Viele Überlegungen der Investoren kreisen um die zukünftige Entwicklung der Weltwirtschaft. Als Coro- na im März zu einer globalen Pandemie anwuchs und weltweit mehr oder weniger entschlossen mit Lockdown-Maßnahmen gegengesteuert wurde, gab es die unterschiedlichsten Szenarien für die Aus- wirkungen auf die Weltkonjunktur. Klar war nur, dass es eine Rezession geben würde, also einen Zeit- raum, in dem die Wirtschaftsleistung zumindest zwei Quartale in Folge unter dem Vorjahresniveau lie- gen würde. Aber unklar war, wie lange der Lockdown die Wirtschaft lähmen würde und wie schnell sich die Konjunktur wieder erholen würde, wenn die Lockdown-Maßnahmen gelockert würden.

Nicht wenige befürchteten eine längere Rezession, einige gar den Auftakt zu einer schweren Wirt- schaftskrise. Doch danach sieht es nicht aus. Chinas Wirtschaft wächst inzwischen wieder so stark, dass das Sozialprodukt, also die gesamte Wirtschaftsleistung, 2020 über der des Vorjahres liegen dürf- te. Das hatten sogar optimistische Volkswirte nicht zu hoffen gewagt. Ein Szenario, in dem sich die Wirt- schaft innerhalb dieses Jahres so schnell erholt, wird als "V"-förmig bezeichnet, weil auf einen scharfen Abschwung eine ebenso rasche Erholung folgt.

Allerdings dürfte die V-förmige Erholung von China weltweit eine Ausnahme bleiben. In den USA, in Eu- ropa, Japan und fast allen anderen Ländern und Regionen der Welt werden in diesem Jahr weniger Waren und Dienstleistungen produziert als im Jahr 2019. Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt den Rückgang der weltweiten Wirtschaftsleistung in diesem Jahr auf 4,9 Prozent. Das ist ein Einbruch, wie es ihn lange nicht gab. Zum Vergleich: Die Rezession in Folge der globalen Finanzkrise von 2008 hatte, wenn man ganze Kalenderjahre betrachtet, nur ein Jahr mit einem Rückgang um knapp 0,1 Prozent zur Folge. Nach der Bankenkrise wuchs das Welt-Sozialprodukt 2010 dann wieder um gut 5,4 Prozent.

Die Frage, ob sich die Weltwirtschaft 2021 ähnlich erholen kann, bewegt die Börsen. Sofern im Winter- halbjahr keine umfangreichen Lockdown-Maßnahmen notwendig sind wie im Frühjahr, darf man mit ei- ner raschen Erholung rechnen. So lautet die Prognose des Währungsfonds (IWF) für 2021 plus 5,4 Pro- zent. Dabei muss man sich vor Augen halten, dass der Zuwachs immer als Prozentsatz des Vorjahres ausgedrückt wird. Wenn das Welt-Sozialprodukt in diesem Jahr fast fünf Prozent unter dem von 2019 liegt, bedeutet der Anstieg nur eine Rückkehr zu dem alten Niveau. Nach einem Minus von 4,9 Prozent wäre ein Plus von 5,15 Prozent notwendig, um das alte Niveau zu erreichen. Sollten sich die Schätzun- gen eines Rückgangs um 4,9 Prozent in diesem Jahr und einer Erholung um 5,4 Prozent im nächsten Jahr bewahrheiten, würde die Weltwirtschaft 2021 sogar das bisherige Rekordjahr 2019 leicht übertref- fen.

Sicher ist das allerdings nicht. Auf der Nordhalbkugel hat das Winterhalbjahr begonnen. Steigende In- fektionszahlen zeigen, dass die befürchtete "zweite Welle" angelaufen ist. Impfstoffe dürften dagegen erst im Jahresverlauf 2021 nennenswert zur Eindämmung der Pandemie beitragen können. Es scheint also schlimmer zu werden, bevor es besser wird. Deshalb erwarten nicht wenige ein sogenanntes "W"- Szenario: Auf die erste Erholung folgt ein neuerlicher Einbruch, weil umfangreiche Lockdown-Maßnah- men die Wirtschaft ähnlich lähmen, wie es im Frühjahr der Fall war.

An den Aktienbörsen blieb ein zweiter Kurseinbruch allerdings bislang aus. Das "W"-Szenario gilt als wenig wahrscheinlich, weil man sich überall auf der Welt bemüht, einen generellen Lockdown wegen des enormen wirtschaftlichen Schadens zu vermeiden. Die Aktienbörsen nehmen seit rund vier Mona- ten eher eine abwartende Haltung ein. Die meisten Aktienmärkte befinden sich auf "mittelfristiger" Ebene in einer ausgeprägten Seitwärtsbewegung. Nach der rasanten Kurserholung bis in den Sommer hin- ein verhindern gleich mehrere offene Fragen einen weiteren, breiten Kursanstieg. Neben den Unsicher- heiten im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie wollen Anleger auch den Ausgang der bevorste- henden Wahlen in den USA abwarten. In Europa kommt hinzu, dass sich Großbritannien mit der EU nicht auf ein Handelsabkommen einigen konnte.

Die Unsicherheiten, die vor allem von der laufenden zweiten Corona-Pandemie-Welle ausgehen, dürf- ten zunächst allgemeine Kursgewinne an den Aktienmärkten verhindern. Bei den US-Wahlen hoffen die Märkte vor allem auf eine Beruhigung der aufgeheizten Lage. Klare Verhältnisse könnten für Kursgewinne sorgen, während ein nach dem Wahltermin fortgesetzter Streit um das Weiße Haus den USA weiteren Schaden zufügen würde.

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Kontakt

Binder Manfred, MLS

allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger

Artikel Quelle: "Gut zu Wissen" - FinanzAdmin

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