„Gute Unternehmen gibt es nicht nur in China“

16.12.2021

Vom höheren Wachstum der Schwellenländer zu profitieren, ist alles andere als profan, weiß Fondsmanager Michael Altintzoglou.

Zuerst die stärkere Regulierung im Bereich E-Commerce, dann die Einschränkungen für private Nachhilfeanbieter und zuletzt die neuen Vorgaben bei Onlinespielen. In den vergangenen Monaten gab es immer wieder heftige Kursverluste in China, vor allem aufgrund einer zunehmenden und unerwarteten Regulierung. Wie haben Sie als Manager eines Emerging-Markets-Portfolios diese Zeit erlebt?

Michael Altintzoglou: Aus Aktionärssicht war das frustrierend, vor allem, weil zeitgleich viele Aktien von US-amerikanischen Internetunternehmen nahezu täglich neue Höchstkurse erreichten. Immerhin sind mehr als zwanzig Prozent des Fondsvermögens in chinesischen Aktien investiert und der Internetbereich, wo sich die anhaltenden regulatorischen Maßnahmen besonders belastend auswirkten, ist in unserem Portfolio stark vertreten. Andererseits sind manche Maßnahmen aber durchaus nachvollziehbar, wenn man an den nachhaltigen Erfolg der Volkswirtschaft denkt.

Wie meinen Sie das?

Nehmen wir den Bereich Onlinespiele, die in China sehr populär sind. So wurde für Jugendliche verfügt, dass die Spielzeit auf drei Stunden pro Woche beschränkt werden soll. Und da sich Gamer in China nicht nur mit vollem Namen identifizieren müssen, sondern auch eine elektronische Gesichtskontrolle durchgeführt wird, ist die Einhaltung des Verbots kontrollierbar. Doch wenn wir ehrlich sind, zeigen Studien, dass hier tatsächlich Suchtgefahr besteht. Es ist also aus sozialen Aspekten sinnvoll, die Spielzeiten zu beschränken. Leider aber werden solche Maßnahmen in China völlig unprofessionell kommuniziert. Es gibt keine Warnung oder Vorlaufzeit, um sich auf Veränderungen einzustellen. Und für die betroffenen Firmen ist es im Gegensatz zu den USA und Europa schwierig, Rechtsmittel einzulegen.

Was bedeutet das für das Portfolio? Wurden im großen Stil chinesische Aktien verkauft?

Nein. Wir haben uns zwar von einzelnen Positionen getrennt und beobachten die Entwicklung sehr genau. Aber wir investieren in qualitativ hochwertige Unternehmen, die über attraktive Produkte verfügen, eine starke Wettbewerbsposition und solide Bilanzen. Insofern sehen wir für die langfristigen Aussichten ausgewählter chinesischer Internetunternehmen weiterhin gute Chancen.

Aber stehen diese Unternehmen nicht besonders im Fokus der Regulierungen?

Ja, aber es geht der Regierung wohl nicht nur um Machtfragen. Sie arbeitet unseres Erachtens am nachhaltigen Erfolg des Landes. Den politisch Verantwortlichen dürfte zudem bewusst sein, dass die Volkswirtschaft einen dynamischen und innovativen Technologie-Sektor braucht, wenn das Land in der Weltwirtschaft weiter vorne mitspielen soll. Deswegen zielen die Einschränkungen unseres Erachtens auch nicht darauf ab, die Unternehmen nachhaltig zu schädigen. So hat Vizeministerpräsident Liu He unlängst betont, dass sich die Richtlinien zur Förderung der Privatwirtschaft nicht geändert haben und auch in Zukunft nicht ändern werden. Immerhin steht der Privatsektor für mehr als 50 Prozent des Steueraufkommens, über 60 Prozent der Wirtschaftsleistung und 80 Prozent der kommunalen Beschäftigung.

Dennoch haben die Maßnahmen zu einem negativen Sentiment gegenüber den betroffenen Unternehmen und zu sinkenden Aktienkursen geführt. Welche Lehre ist zu ziehen?

Die Zukunft lässt sich nicht präzise vorhersagen. Noch vor einem Jahr gab es hohe Kursgewinne bei chinesischen ECommerce-Plattformen. Die Coronakrise hat den Trend zur Digitalisierung beschleunigt und damit deren Geschäft. Daran hat sich nichts verändert. Dennoch ist infolge der Regulierungen die Wertentwicklung bei manchen Titeln eingebrochen. Das zeigt, wie wichtig es ist, das Vermögen unserer Kunden zu jeder Zeit sinnvoll über mehrere Länder und Branchen zu streuen. Diversifikation ist einfach das A und O. Daher ist sie zentraler Bestandteil unserer Anlagestrategie.

Wenn also chinesische Technologiewerte nicht laufen, ...

... dann gibt es beispielsweise im Bereich E-Commerce gute Chancen bei Unternehmen, die ihren Umsatz in Südamerika oder in Südostasien erzielen. Auch chinesische Konsumwerte und Unternehmen aus dem Gesundheitssektor, die nicht so sehr im Fokus der Regulierer stehen, finden wir attraktiv. Zudem sind chinesische Aktien derzeit zwar geografisch gesehen die größte Position im Fondsportfolio. Aber wir sind auch in Indien oder Taiwan stark engagiert, zu zwölf Prozent sogar in den USA.

Die USA sind aber ein merkwürdiges Schwellenland.

Ja, das mag erst einmal komisch klingen. Aber wir halten es für wenig relevant, wo ein Unternehmen gelistet ist oder seinen Firmensitz hat. Entscheidend ist für uns der ökonomische Erfolg beziehungsweise die Frage, wo ein signifikanter Anteil der Geschäftsaktivitäten stattfindet. So ist ein global tätiges IT-Dienstleistungsunternehmen in den USA gelistet, die Gründer kommen aber aus Belarus und beschäftigen viele Softwareentwickler in ihrem Heimatland. Auch internationale Kosmetik- und Sportartikelmarken erzielen einen Gutteil vom Umsatz in Schwellenländern. Aber wie gesagt, wir haben auch eine Reihe von Qualitätsunternehmen aus Indien identifiziert, denen wir langfristig noch einiges zutrauen.

Ist es dort nicht unlängst zum Ausbruch einer Coronawelle gekommen?

Ja, aber anders als im Frühjahr des letzten Jahres gab es keinen landesweiten Lockdown, sondern nur regionale Mobilitätsbeschränkungen. Der Aktienmarkt hat sich als erstaunlich widerstandsfähig erwiesen und erreichte sogar ein neues Allzeithoch. Auch die Währung konnte sich von ihrer zwischenzeitlichen Schwäche erholen. Hier sind wir seit Längerem in einem Finanzinstitut investiert, das Immobilien finanziert. Aber auch im Technologie-Bereich finden wir interessante Kaufgelegenheiten.

Und was ist mit der Rohstoffindustrie?

Dieser Sektor ist in diesem Jahr zunächst besonders gut gelaufen. Doch der Erfolg von Investments im Rohstoffbereich ist stark von der Konjunkturentwicklung abhängig. Da sich diese aber nur schwer prognostizieren lässt, sind solche Titel in unseren Portfolios kaum vertreten. Wir fokussieren auf wachstumsstarke Qualitätsunternehmen. Darunter verstehen wir Unternehmen, die aus unserer Sicht gute Chancen haben, auch in Zukunft nachhaltig hohe und vorhersehbare Erträge zu erzielen. Sie sollten noch nicht zu hoch bewertet sein, sondern noch Potenzial bieten.

Vielen Dank für das Gespräch.

Lesen Sie das Interview mit Philipp Vorndran in unserem Magazin "Position" - inklusive einer Analyse zu den harten Eingriffen der chinesischen Regierung in die Wirtschaft.

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Binder Manfred, MLS

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Quelle: Flossbach von Storch

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