Gut zu Wissen

11.02.2020

Auf und Ab bei Europas Aktien

Die vergangenen drei Jahre bescherten Anlegern an den europäischen Aktienmärkten ein Auf und Ab, genauer gesagt: ein Auf, Ab und wieder Auf. 2016 litten die Börsen unter den Sorgen um die Weltkonjunktur, weil China eine Wachstumsschwäche erlebte. Die sich rasch entwickelnde Volkswirtschaft Chinas war in den Jahren zuvor deutlich gewachsen und hatte Jahr für Jahr den größten Beitrag zum Wachstum der Weltwirtschaft beigesteuert. Im Jahr 2016 stagnierte das Sozialprodukt Chinas bei 11,22 Billionen US-Dollar. Das Jahr 2017 überraschte dann aber positiv. Chinas Sozialprodukt übersprang 2017 die Marke von 12 Billionen US-Dollar.

Und auch in Europa gab es 2017 eine deutlich besser als erwartete Konjunkturentwicklung. Die Unternehmensgewinne und Aktienkurse stiegen, bis ab Anfang 2018 zunehmende Sorgen um den amerikanisch-chinesischen Zollstreit und den EU-Austritt Großbritanniens die Kursentwicklung in Europa belasteten. Damit gingen im Jahr 2018 die Gewinne des Vorjahres größtenteils wieder verloren. Vor allem das vierte Quartal brachte fallende Aktienkurse, weil an den Börsen eine regelrechte Rezession erwartet wurde, also eine Phase von mindestens einem halben Jahr, in dem die Wirtschaftsleistung rückläufig ist.

Diese Sorgen erwiesen sich ab Anfang 2019 als übertrieben, zumindest als verfrüht. Denn 2019 hellte sich die Stimmung wieder auf. Ein wichtiger Grund dafür war die Wende in der Geldpolitik der Notenbanken. Sowohl die amerikanische Notenbank Fed als auch die Europäische Zentralbank (EZB) lockerten in diesem Jahr ihre Geldpolitik, pumpen also wieder hohe Milliardenbeträge in die Wirtschaft. Daraufhin erholten sich die Kurse in den ersten Monaten dieses Jahres deutlich. Seit dem Sommer setzten sich die neuen Aufwärtstrends mühsam fort.

Diesem sehr wechselhaften Börsengeschehen konnten sich auch Aktienfonds nicht entziehen. Bei einer Analyse aktiv gemanagter Europa-Aktienfonds in den vergangenen drei Jahren errechnet sich im Durchschnitt ein Plus von gut 24 Prozent. Dieser Zuwachs ist allerdings auch der niedrigen Ausgangsbasis im Herbst 2016 geschuldet. Damals stand der Euro-STOXX-50, der populärste Index für Standardaktien der Eurozone, bei rund 3.000 Punkten. In dem folgenden Drei-Jahres-Zeitraum konnte man zweimal über 20 Prozent verdienen, dazwischen aber auch einmal gut 20 Prozent verlieren.

Wirklich abkoppeln von der Bewegung des Euro-Aktienmarktes konnte sich keiner der betrachteten Aktienfonds: Alle profitierten vom Anstieg 2017, litten 2018 und erholten sich 2019 - allerdings in unterschiedlichem Ausmaß. Nach 36 Monaten liegt die Spannweite zwischen dem besten und dem schlechtesten Fonds hier bei fast 18 Prozentpunkten. Hier könnte man es sich leicht machen und den hohen Unterschied auf gutes und schlechtes Fondsmanagement zurückführen. Doch das gilt nur, wenn man vom Manager erwartet, rechtzeitig zwischen wesentlichen Strategien hin- und her zu schalten. Sogenannte "Growth"-Strategien, die in der Regel auf konjunkturunabhängige Wachstumsaktien setzen, schnitten besser ab als sogenannte "Value"-Strategien, deren Aktienauswahl zwar günstiger bewertet, aber auch konjunkturabhängiger ist. Weil beide Ansätze mit sehr unterschiedlichen Herangehensweisen verbunden sind, die den Fondsmanagern meist "in Fleisch und Blut" übergehen, sucht man Fonds, die erfolgreich von Growth auf Value und umgekehrt umschalten können, in der Praxis vergeblich. Tatsächlich ist das aber auch nicht der Anspruch der allermeisten Fonds, denn wer Wörter wie "Growth" oder "Wachstum" im Namen trägt oder im umgekehrten Fall "Value", zeigt damit, dass er sich einem Stil verschrieben hat.

Im betrachteten Zeitraum konnten zwar zwischenzeitlich für ein paar Monate, vor allem im Jahr 2017, Value-Ansätze besser abschneiden. Insgesamt aber bauten Growth-Strategien ihren schon seit der Finanzkrise vor zehn Jahren entstandenen Vorsprung aus. Vor allem bei der Rückkehr der Konjunktursorgen im Jahr 2018 kamen Value-Aktien "unter die Räder". Die Gewinnschätzungen, die noch 2017 erhöht worden waren, erwiesen sich reihenweise als zu hoch. Aktienanleger bevorzugten Wachstums- und Qualitätsaktien. Deren Geschäftsmodelle erscheinen weniger riskant. Und die Unternehmensgewinne sollen möglichst unabhängig vom Auf und Ab der Konjunktur sein. Allerdings sind diese Aktien nicht billig zu haben. Qualität hat ihren Preis, argumentieren Manager erfolgreicher Qualitäts- und Wachstums-Strategien.

Fazit: Konjunkturrisiken und Zinsen nahe Null begünstigen weiterhin erfolgreiche  Growth-Strategien. Wer allerdings eine bessere konjunkturelle Entwicklung erwartet, kann auf das Aufholpotenzial von Value-Fonds setzen.


Weltwirtschaft 2020: Wachstumserwartungen, Rezessionssorgen oder  Stimmungsumschwung

Wie wird sich die Weltwirtschaft im kommenden Jahr entwickeln? Die verlässlichsten Hinweise auf die zukünftige Konjunkturentwicklung geben sogenannte "Frühindikatoren", von denen die wichtigsten auf der regelmäßigen Befragung von Einkaufsmanagern in Unternehmen basieren.

Während sich die Stimmung der Einkaufsmanager in den beiden weltgrößten Volkswirtschaften, den USA und China, jüngst aufhellte, blieben die Erwartungen an die Konjunkturentwicklung in Japan und vor allem in Europa gedrückt. Fast hat man den Eindruck, die nicht unmittelbar am Handelskonflikt beteiligten Volkswirtschaften leiden stärker unter den eskalierenden Zöllen zwischen den USA und China als diese beiden selbst. Zuletzt könnten aber auch die Hoffnungen auf ein Teilabkommen im Handelskonflikt dafür gesorgt haben, dass die Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe in den USA und in China über 51 geklettert sind. Sie liegen damit wieder in dem Bereich, der Wirtschaftswachstum erwarten lässt. In Japan und der EU liegen die Indikatoren dagegen unter 50 und damit in einem Bereich, der zu Stagnation oder sogar einer schrumpfenden Wirtschaft führen könnte.

Für die USA und Japan erinnert das Muster an die Wachstumsschwäche 2016. Auch damals näherte sich der Einkaufsmanagerindex für die USA, der "Markit US Manufacturing PMI", dem Schwellenwert von 50, um dann nach oben abzuprallen. Der entsprechende Frühindikator für Japan tauchte damals für ein halbes Jahr unter die 50er Schwelle ab und signalisierte erst in den letzten Monaten des Jahres 2016, dass es nicht so schlimm kommen würde.

Ein Schwächeanfall wie 2016 ist für China nicht erkennbar. So stieg die Stimmung der chinesischen Einkaufsmanager jüngst an den oberen Rand der seit Jahren beobachteten Bandbreite. Ein entscheidender Wachstumsimpuls für die Weltwirtschaft ist für 2020 aber aus China nicht zu erwarten. Dazu sind Geldmengen- und Kreditwachstum dort zu schwach.

Ein weiterer Unterschied zur Wachstumsschwäche 2016 besteht jetzt darin, dass sich Europa damals von der Schwächephase der Weltkonjunktur weniger beeindrucken ließ. Mitte 2016 war die Stimmung hierzulande zwar alles andere als euphorisch, aber besser als in den USA, in China und Japan. Und im Verlauf des Jahres 2017, das weltweit mit höherem Wirtschaftswachstum überraschte, wurde die Stimmung gerade in Europa immer besser. Kurz vor dem Jahreswechsel 2017/18 erreichte der Einkaufsmanagerindex für Euroland geradezu euphorische 60. Von diesem Niveau aus schlug das Pendel in den vergangenen zwei Jahren dann allerdings umso stärker in die Gegenrichtung aus. Seit Frühjahr signalisieren die europäischen Einkaufsmanager die Erwartung einer Rezession.

Der Vergleich mit den anderen Wirtschaftsregionen der Welt lässt hoffen, dass die Stimmung in Europa jetzt zu pessimistisch ist. Sollte die Wachstumsschwäche von 2019 doch nicht in eine Rezession münden, besteht mit dem Stimmungsumschwung dann gerade in Europa mehr Aufholpotenzial als in anderen Regionen der Welt.

Wenn man für das bevorstehende Jahr keine Wachstumsschwäche für China wie im Jahr 2016 erwartet, dürfte die Weltwirtschaft auch 2020 um rund drei Prozent wachsen.


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Manfred Binder, MLS

allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger