Staaten im Schuldensog
Die milliardenschweren Corona-Hilfsprogramme der Regierungen müssen finanziert werden. Das geht nur über neue Staatsanleihen - und mit der freundlichen Unterstützung der Notenbanken.
Die Corona-Pandemie ist nicht nur eine Gesundheitskrise. Den massiven Einbruch der Wirtschaft sollen staatliche Hilfsprogramme abfedern, die weltweit einen Wert von fünf Billionen US-Dollar übersteigen dürften. In der Eurozone gelten die Schuldenobergrenzen für die Staaten de facto nicht mehr. Eine hohe Neuverschuldung zur Bekämpfung der Corona-Folgen gilt inzwischen als haushaltspolitisches Gebot und die Finanzierung ist nicht mehr von der Aufnahmefähigkeit der Kapitalmärkte abhängig, sondern alternativloser Bestandteil der neuen Notenbankpolitik.
Die in diesem Jahr zu erwartenden Haushaltsdefizite sprengen alle historischen Größenordnungen. Sie treiben die Staatsverschuldung weltweit auf Rekordniveaus. Für die USA rechnet der IWF mit einem Anstieg der Staatsschuldenquote innerhalb dieses Jahres von 109 Prozent der Wirtschaftsleistung auf 141 Prozent. Die Situation in der Eurozone, in der die Staatsschuldenquote von 84 auf 105 Prozent klettert, wirkt dagegen auf den ersten Blick noch moderat. Allerdings klafft die Schere hier weit auseinander: Die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone, Italien, wird Ende 2020 einen Schuldenberg von voraussichtlich 166 Prozent des BIP schultern müssen. In Deutschland steigt die Staatsverschuldung voraussichtlich um rund 17 Prozentpunkte auf 77 Prozent, ein im Vergleich zwar niedriges Niveau, das aber in den nächsten Jahren durch die demographische Entwicklung und die abnehmende Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands weiter zunehmen dürfte.
Schuldenchampion Japan
Japan hat den Weg in neue Verschuldungsdimensionen schon vor über zwanzig Jahren angetreten. Die Tatsache, dass es mit seinem Schuldenberg ganz gut leben kann, hat einen einfachen Grund: Der durchschnittliche Zinskupon aller ausstehenden japanischen Staatsanleihen lag Ende des ersten Halbjahrs bei nur 0,8 Prozent und dürfte in den kommenden Jahren weiter fallen. Die tatsächliche Zinslast für den Staat ist sogar noch geringer, da die Bank of Japan rund die Hälfte der Staatsanleihen hält und ihre Zinseinnahmen dem Staat zurücküberweist.
Für die Länder der Eurozone sieht es nicht ganz so günstig aus. Italiens Staatsschulden haben zum Ende des zweiten Quartals einen Durchschnittskupon von 2,5 Prozent, in Deutschland lag er zu diesem Zeitpunkt bei 1,4 Prozent. Die EZB wird als Retter der letzten Instanz dabei helfen, die Zinslast der hochverschuldeten EU-Staaten mit Anleihekaufprogrammen und Null- und Minuszinsen weiter zu drücken.
Auch die US-Notenbank geht "all in". Nachdem sie in der Finanzkrise drei Monate gebraucht hatte, um den Leitzins von zwei auf null Prozent zu senken, vergingen dafür diesmal nur zwei Wochen. Anschließend verkündete Fed-Chef Jerome Powell ein unlimitiertes Wertpapierkaufprogramm, das nicht nur die Preise der unmittelbar betroffenen Staatsanleihen, Unternehmensanleihen und Pfandbriefe steigen ließ, sondern auch die Aktienmärkte beflügelte.
Ausufernde Bilanzen der Notenbanken
Die Anleihekäufe haben bereits zu einem massiven Anstieg der Notenbankbilanzsummen geführt, der sich in den nächsten Monaten weiter fortsetzen wird. Allein im ersten Halbjahr dürfte sich die Bilanzsumme der US-Notenbank von 4,2 auf schätzungsweise 8,6 Billionen US-Dollar mehr als verdoppeln und die der EZB von 4,7 auf mehr als rund sieben Billionen Euro ansteigen. In US-Dollar beziehungsweise Euro gerechnet ist das Wachstum also rund viermal so groß wie in der Finanzkrise 2008/2009.
Ein Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik war schon vor der Corona-Krise kaum noch vorstellbar. Mit dem dramatischen Anstieg der Staatsschuldenquoten ist er es noch weniger. Ohne das "all in" der Geld- und Fiskalpolitik wäre die Stabilität des Finanzsystems gefährdet und mit ihr die Stabilität des Geldwerts.
Droht eine Inflation?
Die Notenbanken sind in einer Zwickmühle. Ein kalter Entzug - sprich ein Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik - ist nicht mehr möglich, ohne den Staat zu ruinieren. Die hohe Staatsverschuldung ist damit auch zum Problem der Notenbanken beziehungsweise ihrer Glaubwürdigkeit geworden, was langfristig auch zu einem Vertrauensverlust in das Geldsystem führen kann. Dazu braucht es erfahrungsgemäß Inflation. Erst wenn die Menschen merken, dass der Wert ihrer Ersparnisse wie Butter in der Sonne schmilzt, schwindet auch das Vertrauen ins Geld. Inflation scheint aber derzeit nicht in Sicht: Im Gegenteil, die Corona-Krise hat sich erst einmal als inflationsdämpfend erwiesen. Warten wir einmal ab, ob das in den nächsten Jahren so bleibt.
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Binder Manfred, MLS
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